Die Transplantation von Hornhaut kann Menschen mit einschlägigen Augenkrankheiten und -verletzungen dabei helfen, ihr Sehvermögen zu erhalten – allerdings herrscht ein weltweiter Mangel an Spendermaterial. Prof. Dr. Dr. Stefan Schrader, Direktor der Universitätsklinik für Augenheilkunde am Pius-Hospital Oldenburg, und Dr. Sonja Mertsch, Leiterin des Forschungslabors der Universitätsklinik für Augenheilkunde der Universität Oldenburg, forschen deshalb bereits seit Jahren an einer Alternative und haben dabei bereits bemerkenswerte Ergebnisse erzielt. Jetzt geht ihre Arbeit in die nächste Phase. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die weitere Entwicklung eines sogenannten Hornhautstromaersatzgewebes zur Augenoberflächenrekonstruktion. Das Hornhautstroma ist die mittlere und mit 90 Prozent dickste Schicht der menschlichen Hornhaut. Wie auch in den Vorgängerprojekten arbeiten die Oldenburger eng mit Forschenden der Universitäten Braunschweig und Würzburg zusammen. Nach Oldenburg fließen Fördermittel in Höhe von rund 250.000 Euro für einen Zeitraum von drei Jahren.
Bereits nachgewiesen haben die Forschenden, dass sie aus Bindegewebszellen der Hornhaut, den sogenannten Fibroblasten, dünne Matrices heranwachsen lassen können. Die Bindegewebszellen gewinnen sie aus gespendeten Hornhautresten, die im Rahmen von Transplantationen bei der Anpassung ans Empfängerauge übrigbleiben. Die auf diese Weise gezüchteten sogenannten Cell-Sheets sind hoch transparent und stabil genug, um sie auf dem Auge vernähen zu können. Diese vielversprechenden Ergebnisse wurden bereits im Fachjournal „Journal of Tissue Engineering and Regenerative Medicine“ veröffentlicht und zusätzlich mit dem Brewitt Publikationspreis des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V. ausgezeichnet.
Das Verfahren wollen die Forschenden jetzt weiter entwickeln und die Biokompatibilität des Materials untersuchen. Dazu will das Forschungsteam die Generierung der Matrices in weiten Teilen automatisieren. Am Uniklinikum Würzburg wird dafür ein Bioreaktor entwickelt, in dem die Cell-Sheets automatisch mit Nährstoffen versorgt werden und so kontaminationsfrei wachsen können. Weil das Wachstum aktuell noch rund ein Jahr dauert, untersuchen die Forschungspartner an der TU Braunschweig, inwieweit sich die einzelnen Cell-Sheets schichten lassen, um schneller die erforderliche Dicke zu erreichen.
Mertsch und Schrader werden in Oldenburg die gestapelten Cell-Sheets nähergehend untersuchen und mit nicht-gestapelten Proben aus früheren Untersuchungen sowie mit natürlicher, menschlicher Hornhaut vergleichen. Insbesondere interessieren sie sich für das Wachstum und Verhalten von menschlichen Hornhautzellen auf den Konstrukten sowie die Transparenz und Haltbarkeit der Matrices. Außerdem gehen die Forschenden der Frage nach, ob in den gestapelten Cell-Sheets auch Nervenfasern einwachsen können. Das ist nötig, damit sich die verletzte Augenoberfläche regenerieren kann. Zusätzlich soll der wichtige Aspekt der Biokompatibilität des Gewebes untersucht werden. Davon hängt maßgeblich ab, ob das von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern künstlich gezüchtete Material langfristig auch bei Menschen zum Einsatz kommen und dazu beitragen kann, dem weltweiten Mangel an Spender-Hornhäuten besser begegnen zu können.