Arzneimittel- und Medizinprodukteforschung mit Menschen ist an viele gesetzliche Voraussetzungen und komplexe Genehmigungsverfahren gekoppelt. Das Koordinierungszentrum für Klinische Studien unterstützt bei der Planung und Durchführung.
Wollen Forschende in Deutschland Medikamente, Medizinprodukte oder medizinische Behandlungen an Probandinnen und Probanden testen, müssen sie sich nicht nur wissenschaftlichen Überlegungen, sondern auch komplexen Genehmigungsverfahren stellen. Aus gutem Grund: Der Anfang der 1960er-Jahre aufgedeckte Contergan-Skandal zeigte, welche Folgen nicht sorgfältig getestete Arzneimittel haben können. Schwangere, die das Medikament Contergan gegen Morgenübelkeit genommen hatten, brachten häufiger Kinder mit schweren Fehlbildungen zur Welt. Die Tragödie sorgte weltweit für Schlagzeilen – und für schärfere Regeln bei der Arzneimittelzulassung.
„Wer heute einen neuen Wirkstoff erforschen oder für Zwecke jenseits der bisherigen Zulassung einsetzen will, muss sich an zahlreiche Vorschriften halten. Für Forschende an Universitäten gelten dabei weitestgehend die gleichen Auflagen wie für große Pharmakonzerne“, erklärt Dr. Heike Hennig, Leiterin des Koordinierungszentrums für Klinische Studien (KKS) Oldenburg. Damit die Ärztinnen, Ärzte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Uni dem damit verbundenen Paragraphendschungel nicht allein gegenüberstehen, unterstützt das fünfköpfige Team des KKS sie von der Forschungsfrage bis zur Umsetzung von Studien im sogenannten „hochregulatorischen Bereich“ der klinischen Prüfungen. Egal ob Medizinprodukte, Medikamente oder medizinische Behandlungen im Rahmen solcher Studien erforscht werden sollen – die Mitarbeitenden des KKS – selbst überwiegend promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - begleiten den Prozess. Mit ihrer Arbeit wollen sie wissenschaftsinitiierte klinische Studien an der UMO fördern, die im Gegensatz zu industrieller Forschung auch Fragestellungen beleuchten kann, die nicht gewinnorientiert motiviert sind.
Hinter Hennig und dem Team liegen drei intensive Aufbaujahre, in denen sie die administrativen, organisatorischen, personellen und rechtlichen Voraussetzungen für wissenschaftsinitiierte klinische Studien der Universitätsmedizin Oldenburg erst einmal schaffen mussten. Jetzt ist ihre Arbeit auch nach außen erstmals sichtbar. Die Studie „CHOCOMO“ der Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Christiane Thiel ist gestartet: Das Forschungsteam untersucht an gesunden Probandinnen und Probanden, welche Auswirkungen das zugelassene Alzheimer-Medikament Donepezil auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns hat. Für diesen Forschungsansatz gilt neben den europäischen Regularien das deutsche Arzneimittelgesetz. Damit die Studie durchgeführt werden durfte, war eine entsprechende Genehmigung notwendig – das KKS-Team hat diesen Prozess intensiv begleitet.
Das Team beriet nicht nur beim Studiendesign, sondern reichte den Antrag anschließend auch über das Clinical Trials Information System bei der European Medicines Agency ein. Die zuständige Oberbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, prüfte die geplante Studie gemeinsam mit der zuständigen Ethikkommission. Das KKS-Team bereitete den Antrag mit großer Sorgfalt vor; rund ein Jahr dauerte es, alle Unterlagen zusammenzutragen. Dann kam die Genehmigung. „Für uns ist das ein Meilenstein. Es folgen nun hoffentlich viele weitere klinische Studien der UMO“, so Hennig.
Mit einem erfolgreich abgeschlossenen Genehmigungsverfahren endet die Arbeit für das KKS-Team jedoch nicht, denn es begleitet auch die aktive Studienphase. Der Datenmanager des Teams unterstützt die Forschenden beim Aufbau einer studienspezifischen Datenbank, die den Anforderungen der Guten klinischen Praxis (GCP) ebenso entspricht wie denen der einschlägigen europäischen Verordnungen und nationalen Gesetze. „Die erfolgreiche Einreichung bestärkt uns darin, weitere klinische Forschungsprojekte auf höchstem Niveau zu unterstützen und damit den Forschungsstandort Oldenburg noch attraktiver zu machen“, sagt Hennig.
„Wir besuchen außerdem die Einrichtungen, in denen die Studie durchgeführt wird und überprüfen, ob die Forschenden die Regularien einhalten und ihre Ergebnisse korrekt festhalten“, sagt Dr. Andreas Molitor, stellvertretender Leiter und Qualitätsmanager des KKS. Dieses Monitoring ist eine wichtige Pflicht der Universität, die für die Studie als sogenannter „Sponsor“ rechtlich verantwortlich ist. Über das Monitoring stellt sie Patientensicherheit und Datenqualität sicher.
Auf das reine Genehmigungsverfahren beschränkt sich das Angebot des KKS also nicht, sondern umfasst in den Bereichen Studiendesign, Biometrie, Daten- und Projektmanagement, Kostenkalkulationen sowie Qualitätssicherung zahlreiche Tätigkeiten, die – je nach Bedarf – von der Machbarkeitsprüfung einer Studienidee bis zur Mitwirkung an Manuskripten für wissenschaftliche Veröffentlichungen reichen.
Mit diesem Beratungs- und Unterstützungsprogramm will das KKS die Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen, die eigenen Fragestellungen im Rahmen von klinischen Studien nachgehen wollen. „Diese Forschung beleuchtet Aspekte, die für die Pharmaindustrie oder Medizinproduktehersteller aufgrund ihrer fehlenden Gewinnaussicht uninteressant sind, aber für Betroffene etwa von seltenen Erkrankungen oder Therapieoptimierung extrem wichtig ist“, betont Hennig.
Wie unmittelbar die positiven Auswirkungen für Patientinnen und Patienten sein können, haben Hennig und Molitor, die beide zuvor am Koordinierungszentrum der Universitätsmedizin Göttingen tätig waren, dort selbst mehrfach miterlebt. So konnte etwa eine wissenschaftsinitiierte Studie zeigen, dass Kinder, die an einer bestimmten Niereninsuffizienz leiden, von einem Medikament profitieren, das bis zu diesem Zeitpunkt für diese Indikation nicht zugelassen war. Richtig eingesetzt kann es die oft erforderliche Dialyse hinauszögern. Das Ergebnis einer anderen nicht-kommerziellen Studie ermöglichte die Reduktion von antibiotischen Verschreibungen im hausärztlichen Bereich bei unkomplizierten Harnwegsinfekten. „Fragestellungen und Ergebnisse wie diese lassen sich oft nur durch wissenschaftsinitiierte Studien erzielen, die nicht kommerziell getrieben sind“, sagt Molitor.