„Zirkeltraining“ für angehende Ärztinnen und Ärzte: Bei der „WINT3RSURGE“-Winterschool der Universitätsmedizin Oldenburg konnten 50 Studierende zwei Tage lang Handgriffe aus Chirurgie, Notfallmedizin und Anästhesie ausprobieren.
Zitternd flackern die Fadenkreuze auf dem Monitor. Nur mit ruhiger Hand lassen sie sich übereinanderlegen. „Hier zeigt sich, wer oft Playstation spielt“, sagt PD Dr. Peter Savov lachend. In seiner Hand hält der Oberarzt aus der Universitätsklinik für Orthopädie im Pius-Hospital aber kein Gamepad, sondern eine kleine Fräse. Sie gehört zum OP-Roboter, mit dem das Team der Uniklinik künstliche Kniegelenke implantiert. Geduldig erklärt Savov den Medizinstudierenden der Universität Oldenburg bei der diesjährigen Winterschool „WINT3RSURGE“, wie die Instrumente des „Cori“ gehalten werden müssen, damit die über dem Monitor platzierte Kamera sie erfassen kann. Durch das Zusammenspiel von Kamera, Computer und den Instrumenten in den Händen des Arztes entsteht auf dem Monitor nach und nach ein 3D-Modell des Kunststoffknies, an dem Savov die Anwendung demonstriert. Und dann dürfen die Studierenden auch selbst ran, denn darum geht es bei der „WINT3RSURGE“: 50 von ihnen haben zwei Tage lang die Chance, mit ihren eigenen Händen auszuprobieren, wie sich verschiedene Tätigkeiten in der Chirurgie und mit ihr eng verwandten Disziplinen anfühlen.
„Wir wollen den Studierenden zeigen, dass sie sich – egal, wie anstrengend das Studium ist – auf tolle Jahrzehnte im Beruf freuen können. Die Winterschool zeigt, wie vielfältig die Medizin ist und gibt gleichzeitig eine erste Orientierung für die Zeit nach dem Studium“, sagt Prof. Dr. Max Ettinger, Direktor der Uniklinik für Orthopädie am Pius-Hospital.
Die Universitätskliniken für Viszeralchirurgie und Orthopädie am Pius-Hospital haben die Winterschool initiiert und nun schon zum zweiten Mal erfolgreich durchgeführt. Unterstützt werden sie von Kolleginnen und Kollegen der Anästhesie und Notfallmedizin im Pius-Hospital. Die Plätze für die zweitägige Veranstaltung sind heiß begehrt, schließlich bietet sie zusätzliche Praxiserfahrungen für Studierende ab dem dritten Studienjahr – und das unter unmittelbarer Anleitung von Ärztinnen und Ärzten und weiterem medizinischen Fachpersonal.
Zu den Erlebnissen gehören auch erste Handgriffe am Laparoskopiesimulator, an dem die Studierenden einen Eindruck davon bekommen, wie sich ein minimalinvasiver Eingriff in der Bauchhöhle für den Operateur anfühlt. „Simulation verbessert nicht nur, sondern wird auch im Pius-Hospital integraler Bestandteil der chirurgischen Ausbildung“, sagt Prof. Dr. Dirk Weyhe. In einem anderen Raum beugen sich Studierende über Schweinefüße und versuchen hochkonzentriert, ihre ersten Knochenanker zu setzen. Mit diesen langen Schrauben, an deren Gewinde mehrere Fäden befestigt sind, können Orthopädinnen und Orthopäden zum Beispiel abgerissene Bänder oder Sehnen wieder mit dem Knochen verbinden. Am Tisch daneben übt eine andere Gruppe an Schweinerippen, Thoraxdrainagen zu legen: Schnitt setzen, mit der Schere spreizen, Schlauch einführen. „Bei einem Thoraxtrauma, etwa nach einem Autounfall, kann so schnell Luft oder Blut aus dem Brustraum geleitet werden“, erklärt Dr. Ricarda Stauß aus der Uniklinik für Orthopädie.
In einem Besprechungsraum sitzen Studierende in weißen Kitteln im gleißenden Lampenlicht um einen kreisrunden Tisch. Sie üben mit Nadel und Faden verschiedene Nahttechniken. Während sie sich in echter Handarbeit für den Ernstfall proben, erleben ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen nur eine Tür weiter, welche Fortschritte Virtual- und Augmented Reality in den Operationssaal bringen. Computergesteuerte Brillen ermöglichen zum Beispiel schon einen Blick in den Patienten, bevor der erste Schnitt gesetzt ist, indem sie anhand von MRT- oder CD-Bildern erstellte Modelle auf den Körper projizieren. Das erleichtert Operierenden die Orientierung, wenn sie zum Beispiel einen Tumor im Bauchraum aufspüren und entfernen wollen.
Oft können Operationen nicht im Voraus geplant werden. In Notfällen zählt jede Sekunde, wichtig ist deshalb das Zusammenspiel auch mit der Notfallmedizin. Während in einem Raum gerade eine Gruppe Studierender abwechselnd das Herz einer Reanimationspuppe massiert, sie beatmet und einen Zugang legt, drängen sich nebenan Studierende um den Bildschirm eines Ultraschallgeräts. Dr. Kirsten Habbinga, Direktorin der Klinik für interdisziplinäre Notfallmedizin am Pius-Hospital, zeigt ihnen dort, wie sie Patientinnen und Patienten mit einer Methode namens eFast untersuchen können, um zum Beispiel nach einem Unfall schnell lebensbedrohliche innere Verletzungen zu entdecken.
Besonders im Fokus stand in diesem Jahr der Aspekt „Frauen in der Chirurgie“. Eine Podiumsdiskussion beleuchtete gängige OP-Klischees wie etwa die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf.