In rund einer halben Million deutscher Haushalte mit demenzerkrankten Mitgliedern ist das Zusammenleben mit häufig aus Osteuropa stammenden Betreuungskräften, so genannten Live-in-Hilfen, Alltag. Trotzdem gibt es kaum wissenschaftliche Erkenntnisse über die Dynamiken in diesem Arrangement, das von rechtlichen Fallstricken gekennzeichnet ist. Die Interaktionen in dieser Triade aus demenzerkrankter Person, Angehörigen und Betreuungskraft wollen Forschende der Universitätsmedizin Oldenburg und des Kulturwissenschaftlichen Instituts (KWI) Essen jetzt beobachten und ethisch analysieren. Sie begleiten deshalb acht Familien über einen Zeitraum von einem Jahr. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das insgesamt dreijährige Projekt „Osteuropäische Live-in Hilfen in häuslichen Versorgungstriaden bei Demenz“ mit rund 850.000 Euro.
„Schon in einer vorangegangenen Studie haben wir festgestellt, dass der Leistungsumfang der Pflegeversicherung oft nicht die tatsächlichen Versorgungsbedürfnisse deckt und Angehörige deshalb die Beschäftigung einer Live-in-Hilfe als einzige Option sehen“, erklärt Versorgungsforscherin Dr. Milena von Kutzleben vom Department Versorgungsforschung an der Fakultät VI Medizin und Gesundheitswissenschaften der Universität Oldenburg. Gemeinsam mit dem Medizinethiker Prof. Dr. Mark Schweda sowie dem Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Jo Reichertz vom KWI untersucht sie in den kommenden drei Jahren diese besondere Versorgungskonstellation. Das Hauptaugenmerk der Forschenden liegt dabei auf dem Verhalten und der Kommunikation aller Beteiligten, also Angehörigen, Demenzerkrankten und Live-in-Hilfen. Ihr Verhältnis zueinander ist geprägt von einer starken Abhängigkeit aller Beteiligten zueinander und häufig Unklarheit zum Beispiel darüber, welche Tätigkeiten die Hilfe umfassen darf und welche Pflichten auf Angehörige zukommen. Hinzu kommt, dass die Betreuungskraft in der Regel alle zwei bis drei Monate wechselt, und zusätzlich die Entwicklung der Demenzerkrankung ständig die Bedingungen in dieser Triade verändert.
Gemeinsam mit den Familien, die aktuell gesucht werden, wollen die Forschenden sich über geeignete Methoden verständigen. Denkbar sei zum Beispiel, dass die Beteiligten ihren Alltag in den Beobachtungsphasen selbst mit Fotos dokumentieren und anhand dieser anschließend ihre Eindrücke schildern, erklärt von Kutzleben. Interessierte können sich ab sofort per E-Mail an wenden. Ein absolut vertraulicher Umgang mit den persönlichen Daten wird den Teilnehmenden zugesichert.
Die Ergebnisse dieser Beobachtungen bilden die Grundlage für eine anschließende ethische Analyse. Ein Fokus liegt dabei auf der Frage, wie die Mitglieder einer Versorgungstriade einander die Sorgeverantwortung für die demenzkranke Person zuschreiben.